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#Coronazeit #Ehrenamt #Wissenschaft

Die Leere von Online-Lehre. Studentisches Leben während der Corona-Pandemie

Mareike-Beatrice Stanke, Stipendiatin Master Plus

Ende März 2020: Ich steige in den Bulli ein, den ich gemietet hatte, und fahre Richtung Münster, meiner neuen Uni-Stadt und meinem Masterstudium entgegen. Nie hätte ich mir ausgemalt, dass ich mich nach drei Semestern fragen würde, WAS CORONA VOM UNI-LEBEN ÜBRIG LIESS. Niemals hätte ich gedacht, dass für drei Semester mein WG-ZIMMER ZUM CAMPUS WIRD. Niemals wäre ich davon ausgegangen, dass es auch für mich – zumindest für ein Semester – ZURÜCK INS KINDERZIMMER gehen würde. Die Corona-Pandemie hat dabei ein Gefühl verstärkt: GEMEINSAM EINSAM. Durch Corona saßen und sitzen fast drei Millionen Studierende jeden Tag in der Woche gemeinsam einsam in ihren jeweiligen Zimmern und vernetz(t)en sich untereinander mithilfe von Zoom, Teams, BigBlueButton oder ähnlichem. Und nach anderthalb Stunden loggten sie sich wieder aus und es ging von vorne los: gemeinsam einsam. Die LEEREN HÖRSÄLE WÄHREND CORONA ließen immer mehr sagen: „ICH WÜRDE DAS NICHT MEHR STUDIUM NENNEN“. Bei manchen machte sich EIN GEFÜHL BREIT, ALS WÜRDE MAN GEGEN WINDMÜHLEN KÄMPFEN. Durch die eigene Isolation schien es unmöglich, etwas an der eigenen Situation zu ändern. Kommiliton:innen kennenlernen, das ging kaum, da DIE UNI KEIN ORT MEHR WAR, SONDERN NUR NOCH EIN GEFÜHL. Es entstand CORONA-FRUST, STUDIERENDE FÜHL(T)EN SICH (VON DER POLITIK) ALLEIN GELASSEN. Einigen Studierenden gelang es, Mitstreiter:innen zu finden und Initiativen zu gründen, die sich der Leere der Online-Lehre annahmen.

Eine dieser Initiativen ist „OnlineLeere“, die sich im März 2021 in Heidelberg gründete und inzwischen auch in Bonn, Dresden, Erlangen, Freiburg, Karlsruhe, Kiel, Köln, Münster und Tübingen vertreten ist. „OnlineLeere“ ist eine unabhängige und überparteiliche Initiative, die die Eindämmung der Corona-Pandemie unterstützt, aber Konzepte fordert, die die Rückkehr zur Präsenzuniversität im Rahmen der landesspezifischen Bestimmungen ermöglichen. Ich bin Teil dieser studentischen Initiative. Zusammen mit anderen Initiativen, zum Beispiel „Nicht-nur-online“ oder „Uni-Zu“, formulierten wir als Kollektiv „Präsentbleiben.“ einen offenen Brief an Politiker:innen in ganz Deutschland, mit der Aufforderung, sich der Studierenden an deutschen Universitäten ernsthaft anzunehmen. Als Unterstützer:innen gewannen wir mehr als 300 studentische Organisationen (Fachschaften, AStA,…), die ca. 550.000 Studierende repräsentieren. Doch von politischer Seite kam wenig Rückmeldung. Allein die Zeitungen griffen unsere Forderungen auf und verschafften diesen Öffentlichkeit.

Kurz nach der Gründung des Münsteraner Standorts kam ich in Kontakt mit anderen Studierenden von meiner Universität, die ebenfalls etwas unternehmen wollten, um die Situation in Münster zu verbessern. Wir fingen mit Kreidemalaktionen an, bei denen wir verschiedene Bedürfnisse von Studierenden auf die Straße schrieben: Zum Beispiel „Ich brauche: Kontakt mit Kommiliton:innen“ oder „Ich brauche: Bibliothek“. Im Anschluss daran organisierten wir einen Studi-Lerntreff vor dem Münsteraner Schloss, da die Prüfungsphase immer näher rückte, und Ende Juni schließlich ein Outdoor-Seminar. Letzteres trug den Titel „Krisen der Gesellschaften“. Als Vortragende konnten wir drei Dozent:innen aus der Lehreinheit Geschichte und einen Dozenten aus den Rechtswissenschaften gewinnen. Die Organisation und Durchführung dieses Outdoor-Seminars waren die Highlights meines Semesters, da ich endlich einmal meinen Kommiliton:innen und Dozierenden physisch begegnen konnte. Da an diesem Tag ebenfalls Markttag in Münster war, bezogen wir zudem noch die Öffentlichkeit mit ein und auch Passant:innen hörten sich die Vorträge an. Zusätzlich zum Outdoor-Seminar führten wir Interviews mit den Dozent:innen über ihre Erfahrungen und Eindrücke, von denen einzelne Ausschnitte auf dem Instagram-Account von „OnlineLeere Münster“ einsehbar sind. Da Bildung Ländersache ist, sprachen wir im September zudem mit Landtagsabgeordneten von CDU (Dr. Stefan Nacke), FDP (Daniela Beihl) und SPD (Dietmar Bell) und thematisierten die Probleme der Online-Lehre, die Situation von Studierenden während der Pandemie und die Entwicklung der Digitalisierung an den Hochschulen.

Für das Wintersemester 2021/22 hat ein Großteil der Universitäten die Rückkehr zur Präsenzlehre festgesetzt. Einzelne digitale Elemente werden sicherlich beibehalten werden, da festgestellt wurde, dass sie die Lehre durchaus bereichern können. Eines haben wir aber alle gemerkt: Die Präsenzlehre ist unersetzlich. Sie macht das Studium zu einer unvergesslichen Zeit – mit Begegnungen, Diskussionen und Erfahrungen, die allesamt zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen. UNIVERSITÄT IST EBEN NICHT NUR EIN SERVICEPROVIDER, DER NACH BELIEBEN AUF ERSATZANGEBOTE AUSWEICHEN KANN. SIE IST EIN REALER, PHYSISCHER ORT. EIN STÜCK STADT. EIN LEBENSABSCHNITT. [1]

[1] Präsentbleiben. Ein deutschlandweiter offener Brief vom 14.06.2021. URL: www.praesentbleiben.de [15.07.2021].

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