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#Ehrenamt #Wissenschaft

Neue Zeiten brauchen neue Wörter – TERRAN

Jessica Berneiser, Alumna Master Plus

Hast du dich auch schon einmal gefragt, wieso es eigentlich möglich ist, sich selbst und die eigene Ernährung u.a. als vegan, vegetarisch, flexitarisch oder frugan zu bezeichnen, es aber kein Wort dafür gibt, sich auf dem Boden bleibend, also ohne Nutzung eines Flugzeuges, fortzubewegen? Nein? Zugegebenermaßen erging es uns den Großteil unseres Lebens auch so. Seit wir jedoch das Wort „terran“ als Synonym für „ohne Flugzeug unterwegs“ erfunden haben, können wir terran in unserem Wortschatz nicht mehr wegdenken. Ein wertschätzendes Wort für erdgebundenes Reisen ohne Verneinung zu haben, ergibt für uns einfach nur Sinn. Vielleicht ergeht es dir ja bald ganz genau wie uns …

Nun aber von vorne. Wer sind wir ,und was hat es jetzt mit terran eigentlich auf sich? Begonnen hat alles mit einer Handvoll Menschen, die das Thema Mobilität aus ganz unterschiedlichen Gründen beschäftigt – sei es, weil ihre eigenen Reisedokumentationen viele andere Menschen dazu angeregt haben, mit dem Flugzeug andere Teile der Erde zu erkunden; weil sie mitten in Frankfurt am Main leben und das Gefühl haben, der Minutentakt auf der Start- und Landebahn wird als das Normalste der Welt wahr- und hingenommen; weil sie sich bei ihrer Arbeit täglich mit dem Klimawandel beschäftigen, aber in ihrer Wahrnehmung viel zu selten über die Rolle unseres Lebensstils gesprochen wird; weil sie ihren Kindern und Enkeln einen lebenswerten Planeten hinterlassen möchten oder auch einfach, weil digitale Konferenzen mehr Freizeit und weniger Reisestress bedeuten. Und Gleitschirmfliegen eben doch auch das schönste Fliegen ist.

Was uns eint, sind die Themen Mobilität und Reisen, und dass wir alle die Welt ein Stückchen besser machen wollen, dass wir Normalitätsvorstellungen hinterfragen und nachhaltig gesellschaftliche Veränderungen bewirken möchten. So kam es dann auch zu terran. Wir haben uns gefragt, wieso es eigentlich kein Wort dafür gibt, ohne Flugzeug unterwegs zu sein – als Äquivalent zu vegan, das kennen heutzutage die meisten Menschen, und die Supermarktregale strotzen vor veganen Alternativprodukten. Terran war geboren. Terran ist aus dem lateinischen Wort „terra = die Erde“ hergeleitet und bedeutet Fortbewegung am Boden. Zum Beispiel kann deine Konferenz terran sein, dein Urlaub, dein Kaffee und auch du selbst. Anders als die Ausdrücke „ohne Flugzeug“, „flugfrei“ o.Ä. drückt es erdgebundenes Reisen ohne Verneinung aus. Terran soll nicht dogmatisch sein und kann auch im Kleineren gedacht werden, zum Beispiel im Sinne von „Ich bin Europa-terran.“ oder „Wir sind im Jahr 2021 terran.“ Terraner bzw. Terranerin ist die Bezeichnung für einen Menschen, der terran lebt.

Unsere Mission ist es, Menschen für terranes Reisen zu begeistern. Zu zeigen, dass dies nicht für Verzicht, sondern für Klimaschutz und ein positives Lebensgefühl steht.

Mit einem neuen Wort wollen wir Aufmerksamkeit für ein Thema schaffen (das normalerweise die Gesellschaft polarisiert) und Inspiration geben. Mit terran ist es endlich möglich, bejahend und unkompliziert über Reisen ohne Flugzeug zu sprechen. Terran soll zwar mit Klimaschutz, vor allem aber mit Freiheit, Abenteuer und Begegnung assoziiert werden. Dadurch wollen wir das Thema noch weiter in die Gesellschaft hineintragen. Es geht uns insbesondere darum, niederschwellig für das Thema zu sensibilisieren, ein Gefühl von Identifikation zu bieten und positive Emotionen bei Menschen auszulösen.  
Oftmals wird uns entgegengebracht, dass die Urlaubstage in der Erwerbsbevölkerung begrenzt seien und Distanz und Reisezeit dementsprechend ausschlaggebende Faktoren bei der Verkehrsmittelwahl sind. Und dies dann eben doch häufig auf das Flugzeug hinausläuft. Wie wäre es denn aber, wenn wir bereits den Weg als Teil des Urlaubs verstehen? Möglicherweise verschiebt sich automatisch unsere gesamte Vorstellung von einer Reise. Wir können die Veränderung der Landschaft und des Klimas viel bewusster wahrnehmen, wenn wir terran unterwegs sind. Für viele Menschen ist das auch eine Form der Entschleunigung.

Als Verein möchten wir Menschen über verschiedene Formate erreichen: über soziale Medien, Workshops und Vorträge, Zeitungsartikel, aber auch über unsere Website. Dort möchten wir insbesondere Inspirationen für Urlaube, aber auch Dienstreisen, die terran erfolgt sind, geben – Geschichten zu erzählen, ist uns besonders wichtig. Seit jeher geben Menschen in Form von Geschichten Erinnerungen, Wissen und ihre Wahrnehmung der Welt wieder. Geschichten lösen Gefühle aus, regen zum Nachdenken an und schaffen Anknüpfungspunkte an das, was wir bereits selbst erlebt haben. Oftmals können wir Geschichten nachempfinden und uns mit den Charakteren bzw. ihren Erlebnissen identifizieren. Wir wollen mit unseren terranen Geschichten zeigen: Es gibt neben dir viele andere Menschen, die das Thema auch bewegt, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen und die in ganz unterschiedlichem Ausmaß ihren Alltag und/oder ihre Reisen terran gestalten.

Gewohnheiten abzulegen, fällt uns sehr schwer. Nur weil ich etwas weiß, setze ich dieses Wissen nicht automatisch um. Da kommen Alltagsrituale hinzu oder Situationen, in denen es praktischer ist, sich – wie gewohnt – umweltschädlicher zu verhalten. Auch soziale Normen beeinflussen maßgeblich unser alltägliches Verhalten. Mit terran möchten wir deshalb einen Fokus auf die Alternativen legen, diese stärken, so dass perspektivisch die offensichtlichere, einfachere und günstigere Variante die Fahrt mit dem Nachtzug ist. Dafür arbeiten wir bereits mit verschiedenen Organisationen zusammen, beispielsweise mit Akteur:innen aus der Tourismusbranche, die mit ihrem Angebot großen Einfluss ausüben können.

Aber nicht nur im Privatleben wollen wir “terran“ etablieren. Wir entwickeln ebenfalls Ideen und Anreize, wie Unternehmen und Organisationen sich terraner aufstellen können. Je größer „terran“ als Bewegung wird und je mehr sich das Wort verbreitet und etabliert, desto mehr klimafreundlichen Einfluss wird die Idee auch auf Politik und Wirtschaft haben.

Wie für uns eine bessere Zukunft aussehen könnte? Für die Menschen unserer Gesellschaft ist es selbstverständlich geworden, terran unterwegs zu sein. Familien planen ihren Urlaub mit der Bahn. Weite Dienstreisen sind durch modernste Videokonferenzen größtenteils abgelöst. Es gibt Online-Anbieter, die die schnellste und preiswerteste terrane Reiseroute vorschlagen. Mit einem Klick ist die terrane Reise gebucht – ganz einfach und unkompliziert. Nach dem Schulabschluss mit dem Langstrecken-Jet zum Work and Travel in Australien? Das war früher mal hip. Heute heißt es: Erstmal die Umgebung entdecken – Freiwilligenarbeit in der Schweiz, Rafting in Frankreich, Weinernte in Portugal. Oder mit der Transsibirischen Eisenbahn Richtung Asien. Und dann mal sehen. Es ist lange her, dass es normal war, mal kurz übers Wochenende nach Budapest oder Milano zu fliegen – inzwischen ist das so was von 2017. Und manchmal, da nehmen wir uns ganz bewusst viel Zeit und besuchen terran unsere Verwandten und Freunde in der weiten Welt.

Der junge Verein „terran e.V.“ wurde 2019 in Freiburg i.B., Deutschland gegründet. Unsere Bewegung wächst! Inzwischen gibt es auch in der Schweiz einen terran-Verein. Wir sind rund 15 aktive Mitglieder, die sich ehrenamtlich engagieren – von Wissenschaftler:innen, IT- und Marketingexpert:innen über Sozialarbeiter:innen, Mediziner:innen bis hin zu Dokumentarfilmer:innen. Darüber hinaus unterstützen uns einige Menschen ab und zu – wir nennen sie unsere local Heroes, da sie über ganz Deutschland verstreut sind. Und alle sind wir gerne und oft terran unterwegs. Der deutsche Verein ist Haupt-Projektpartner des europaweiten Netzwerks „Stay Grounded“, das europäische Bewegungen für die Reduktion von Flugverkehr bündelt. Über das Konzept des terranen Reisens habe ich im Frühjahr 2021 einen Workshop beim Alumni:aetreffen der Claussen-Simon-Stiftung gehalten.

Weitere Infos zum Verein terran e.V.:
https://www.sueddeutsche.de/reise/terran-reisen-interview-1.5277883?reduced=true
https://www.zeit.de/2021/23/reise-deutschland-moritz-von-uslar-zeit-besuch-leser#gruene-sprachrevolution
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/reisen-flugzeug-bahnfahren-100.html
https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/reisen-mit-bodenkontakt-charlotte-senkpiel-von-der-freiburger-initiative-terran-ev-100.html

YouTube-Video

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