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#Community #Wissenschaft #Wissenschaftskommunikation

Von gekrümmten und schwingenden Räumen

Lydia Schollmeier, Alumna bei B-MINT

Am 18. und 19. September 2020 fand das Stipendiat:innentreffen der Claussen-Simon-Stiftung statt. Es war online und wir waren vorher etwas besorgt, ob es wohl genauso schön werden würde, wie die Treffen davor. Aber unsere Sorgen waren unbegründet. Obwohl natürlich der persönliche Kontakt ein wenig fehlte, war durch die zwischenzeitliche Aufteilung in Breakout-Räume bei Zoom genug Zeit, um sich in kleinen Gruppen auszutauschen und kennenzulernen. Die Technik hat auch (fast) immer mitgespielt und so liefen die Programmpunkte alle glatt.

Der Programmpunkt, dem ich am meisten entgegengesehen habe, waren die Workshops. Es gab zwei Workshop-Zeitslots, sodass jede:r, der oder die einen Workshop gehalten hat, auch an einem anderen teilnehmen konnte. Ich habe einen Workshop zum Thema „Gravitationswellen“ gehalten. Dem Thema bin ich während meines Studiums begegnet (ich studiere Physik) und fand es so spannend, dass ich es mit noch mehr Leuten teilen wollte. Gravitationswellen sind in vielerlei Hinsicht interessant. In letzter Zeit waren sie im Gespräch, weil es zum ersten Mal gelungen ist, sie direkt zu messen. Damit wurde die letzte Vorhersage der allgemeinen Relativitätstheorie direkt experimentell nachgewiesen – damit ist sie eine der am besten nachgewiesenen Theorien der Physik.

Und auch wenn man sich sonst nicht mit Physik beschäftigt, sind Gravitationswellen spannend, weil sie einen Teil der Natur beschreiben, der völlig kontraintuitiv und dadurch besonders faszinierend ist. Gravitationswellen sind kurz gesagt kleine Störungen in der Raumkrümmung. Die Gravitation ist nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie eine Scheinkraft (das bedeutet, dass es keine Gegenkraft gibt, wie Newton sie gefordert hat), die durch Raumkrümmung ausgelöst wird.
Man kann sich das so vorstellen: Leerer Raum ist „glatt“, also ohne Krümmungen. Sind Massen im Raum, wird dieser gekrümmt. Dann bewegen sich auch Objekte auf gekrümmten Bahnen, weil der Raum selbst ja gekrümmt ist. Die Raumkrümmungen, die von verschiedenen Objekten ausgelöst werden, überlagern sich. Gravitationswellen werden immer dann erzeugt, wenn Masse beschleunigt wird. Beschleunigen heißt in diesem Fall, dass sich die Geschwindigkeit ändert. Dabei ist es egal, ob sich der Betrag oder die Richtung ändert.

Eine Gravitationswelle ist eine periodische Störung dieser Krümmung, die sich durch den Raum fortbewegt. Das heißt: Eine periodische Schwingung wird zu der bereits vorhandenen Krümmung des Raumes addiert. Die Krümmung des Raumes schwingt!

Das ist interessant, denn dadurch wird noch mal deutlich, dass der Raum nicht einfach nur die Bühne des Universums ist, auf der die Ereignisse geschehen, sondern dass der Raum selbst eine veränderliche physikalische Größe ist. Wie jede andere Welle auch transportiert eine Gravitationswelle Energie, aber keine Materie. 
Gravitationswellen sind transversale Wellen, das heißt in diesem Fall, sie „erschaffen“ oder „vernichten“ Raum senkrecht zu ihrer Ausbreitungsrichtung. Durch dieses „Erschaffen“ und „Vernichten“ des Raumes ändert sich der relative Abstand zwischen zwei Teilchen. Aber diese Teilchen werden dafür nicht durch den Raum bewegt. Diese Abstandsänderungen werden für die Detektion der Gravitationswellen genutzt.

Selbst die energiereichsten Gravitationswellen haben eine so kleine Amplitude, dass sie nur schwer messbar sind, daher sind die Gravitationswellen, die wir alle im Alltag erzeugen, wirklich winzig, aber sie sind trotzdem vorhanden. Die energiereichsten Gravitationswellen werden von Objekten mit sehr hoher Dichte und Beschleunigung erzeugt. Bei der ersten direkten Messung wurde die Gravitationswelle von zwei schwarzen Löchern erzeugt, die einander dicht umkreisten und anschließend verschmolzen.

Die Teilnehmendes des Workshops stellten viele Fragen, wie man sich eine Krümmung des Raumes überhaupt vorstellen und wie dadurch Gravitation entstehen kann. Nicht alle Punkte, die ich eingeplant hatte, konnten wir deshalb aufgreifen. Das rege Interesse hat mich aber sehr gefreut, sodass der Workshop sogar deutlich besser verlief, als ich erwartet hatte. Denn das Thema Gravitationswellen ist vielleicht nicht für alle sofort zugänglich, aber wie wir gemeinsam im Workshop erlebt haben, sehr spannend und vielfältig, wenn man beginnt, sich damit zu beschäftigen.

Foto: NASA/C. Henze

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