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#Community #Coronazeit #Kultur

Erste Schritte wider die Sprachlosigkeit

Anne Pretzsch und Martin Mutschler, Alumna:us bei stART.up

Nach einem langen Jahr der Pandemie sehnten wir uns nach einem sprachlichen, intellektuellen, künstlerischen wie körperlichen Resümee – als Zwischenstand unserer Arbeit, unseres Denkens und Fühlens, als Ausgangspunkt für weiteres Schaffen. Von einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit der neu empfundenen Einsamkeit und der neu gewonnenen Freiheit in ihren verschiedenen Ausprägungen versprechen wir uns veränderte Kommunikationsmöglichkeiten, andere Wörter und neue Räume, um über das zu sprechen, was gerade wirklich da ist – in unserer heutigen Lebensform, aber auch in den Herausforderungen und dem kollektiven Unbehagen, das sie begleitet. Wir erhoffen uns auch, über das sprechen zu können, was danach kommt oder kommen könnte. Um uns orientieren zu können, müssen wir aber zunächst wissen, wo wir selbst stehen. Daher haben wir auch begonnen, Strategien der Vergegenwärtigung zu suchen, Praktiken von Verkörperung und Versprachlichung zu finden und sie sodann zu untersuchen. Wir glauben: Mit der Perspektive, dass die Dinge um uns wieder ihre Orte haben und die Fluchtpunkte, die auf sie verweisen, wird es leichter, im Hier und Jetzt in unseren Körpern zu neuer Ruhe zu finden.

Der Workshop, den wir unter dem Titel Der sprachlose Affe beim Alumni:aetreffen der Clausssen-Simon-Stiftung gehalten haben, stellte den Startpunkt unserer Forschungsreise dar. Hier haben wir begonnen, Analyse, Interview, Körperarbeit und -erfahrung sowie Feldforschung zusammenbringen, um den Freiraum zu skizzieren, dessen Fehlen uns durch Corona so deutlich bewusst geworden ist. Und um im Kreise von Gleich- und Ähnlichgesinnten von dem Ort zu träumen, an dem wir denken und fühlen können, suchen, sammeln und benennen. Ziel des Prozesses ist es nun, aus den Erfahrungen dieser verschiedenen Forschungsansätze ein neues Vokabular gewinnen, einen flexiblen Baukasten von Möglichkeiten zu erstellen und unsere intellektuellen Räume wie unsere künstlerische Praxis auszuweiten. Durch Wahrnehmungsübungen sind wir tief eingetaucht in das immer noch vorherrschende Gefühl von Einsamkeit. Im anschließenden Austausch darüber konnten wir, in Gruppen wie im Plenum, Reflexionen über die Corona-Zeit sammeln und individuelle Eindrücke zu einem kleinen Erfahrungsschatz anhäufen.

Als Kunstschaffende arbeiten wir mit dem Besteck von Alchemie und Analyse auf dem Feld der Emotion. Qua Beruf(ung) sehen wir uns als Vermittler:innen zwischen Wissenschaft und Wahrnehmung. Als Seismograph:innen des Gefühls erfahren wir die Gesellschaft, in der wir leben; erforschen wir Politisches und Privates. Wir lesen. Was in der kleineren und größeren Welt geschieht und wie es beschreib- und sodann lesbar wird, ist immer in fließendem Austausch zu unserer Lektüre. Oder anders: Erst was lesbar wird, existiert. Wenn wir unsere Zeit lesen können, werden aber auch wir in ihr lesbar. Und wenn wir uns lesen können, verstehen wir auch die Welt. Wir sind froh, mit den inspirierenden Freund:innen und Kolleg:innen der Claussen-Simon-Stiftung diese Etappe unserer Lektüre geteilt zu haben – und glücklich, dass die Künstlerin Anna Hubner, die den Workshop mit ihrem Graphic Recording begleitet hat, die Ergebnisse bildnerisch festgehalten hat. Wir zeigen hier Ausschnitte davon – und brechen jetzt zu neuen Forschungsreisen auf. Bis zur nächsten Etappe!

 

Illustrationen/Live Recording: Anna Hubner

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