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#WissensWerte: "Mal Kumpel, mal Karriereberater" – Daniel Bucurescu und Mireia Viguer Pérez berichten im Gespräch mit Elena de Zubiaurre Racis von ihrem Engagement als Mentor:innen bei B-You!

Elena de Zubiaurre Racis im Gespräch mit Mireia Viguer Pérez und Daniel Bucurescu

Elena de Zubiaurre Racis: Liebe Mireia, lieber Daniel, ihr engagiert euch als Mentorin bzw. Mentor für zwei Schüler:innen im ersten B-You!-Jahrgang. Wie würdet ihr eure Rolle definieren?

Daniel Bucurescu: Mir fällt da sofort der Begriff Wegbegleitung ein.

Mireia Viguer Pérez: Ja, der trifft es auch für mich.

Daniel Bucurescu: Wir haben anfangs in der Gruppe der Mentor:innen viel darüber gesprochen, was es bedeutet, Mentor:in zu sein, auch mit Dr. Laura Glauser, die uns als Supervisorin begleitet. Da war die Rede von einem Mix aus Lehrkraft, Freund:in, Vorbild. Wegbegleitung ist für mich ein ganz wichtiges Wort, denn es lässt offen, wie lang dieser Weg ist. Es hängt von beiden Seiten ab, und im Vordergrund steht, einfach da zu sein, wenn man gebraucht wird.

Mireia Viguer Pérez: Nach gut einem Jahr ist meine Erfahrung, dass das ganz intuitiv geht, ohne theoretische Zuschreibungen. Da zu sein, empathisch aufeinander einzugehen, zu spüren und zu besprechen, was mein Mentee gerade braucht.

Daniel Bucurescu: Ich merke, dass ich oft auf ganz unterschiedliche Art und Weise da bin. Mal bin ich der Kumpel, dann mehr der Karriereberater. Wir suchen uns neue Inhalte, wir sind Gesprächspartner. Wir sind Zeitgenossen: Wir teilen Zeit zusammen.

Elena de Zubiaurre Racis: Warum habt ihr euch als Mentor:in beworben?

Mireia Viguer Pérez: Mir war zunächst gar nicht so klar, was das bedeutet. Ich hatte nicht schon immer das Ziel gehabt, einmal Mentorin zu sein. Es entstand eher aus meiner Verbundenheit zur Claussen-Simon-Stiftung heraus, ich fühle mich hier wohl. Und dann hat mich B-You! als Programm überzeugt, so etwas hätte ich als Jugendliche gern gehabt. Teil einer Gruppe zu sein, das hatte ich mir auch immer gewünscht. Das hat mich bewogen, mich als Mentorin zu bewerben, ohne ein klares Bild davon zu haben, was es praktisch bedeutet und beinhaltet.

Daniel Bucurescu: Ich verstehe es als Privileg, Teil der Stipendiat:innenschaft zu sein. Als Mentor kann ich etwas an jüngere Generationen weitergeben, das ist etwas, was mich generell sehr interessiert und ich auch in meiner Arbeit anstrebe. Mich haben die Kriterien bei B-You! überzeugt. Ich arbeite viel mit jungen Menschen zusammen, mich interessiert, was sie bewegt. Deshalb bot mir die Mitwirkung bei B-You! eine großartige Chance, auch mit einer jüngeren Generation enger in Kontakt zu kommen.

Elena de Zubiaurre Racis: Was verbindet euch mit den B-You!-Mentees, die aus Familien kommen ohne akademische Erfahrung?

Mireia Viguer Pérez: Ich bin in meiner Familie die erste Akademikerin, inklusive Großeltern, Onkel, Tanten. Ich wurde ausgewählt, aufs Gymnasium zu gehen. Das war total aufregend, gleichzeitig war ich dort etwas verloren, weil es ganz unbekannt für mich und meine Familie war. Es war ein Elitegymnasium, meine Eltern konnten mir nicht helfen mit Hausaufgaben. Als ich von B-You! gehört habe, habe ich mich darin gesehen. Ich hätte mich damals gern beworben für so ein Programm.

Daniel Bucurescu: Bei mir war es umgekehrt. Ich bin nicht Erstakademiker, aber ich möchte alles daran setzen, solche Strukturen zu fördern. Ich sehe das auch als meine Pflicht, etwas weiterzugeben, als jemand, der viele Chancen hatte und sie auch genutzt hat.

Elena de Zubiaurre Racis: Hattet ihr denn Mentor:innen oder Vorbilder, die euch begleitet haben?

Daniel Bucurescu: Ich hatte immer Menschen, die mich inspiriert haben, auf ganz unterschiedliche Art. Als Pianist haben mich vor allem Musiker:innen fasziniert, wie sie ihr Leben gemanagt haben. Und als ich nach Hamburg gekommen bin, zu TONALi, hat mich der Geschäftsführer dort sehr beeinflusst, gerade in Hinblick auf Kommunikation, Kultur und Kulturvermittlung. Auch im Kontext, Exzellenzdenken aufzubrechen.

Elena de Zubiaurre Racis: Und bei dir, Mireia, hattest du ein Vorbild?

Mireia Viguer Pérez: Ich hatte immer wieder Menschen, denen ich mich verbunden gefühlt habe, auch Lehrerinnen. Aber ich könnte keine bestimmte Person nennen. Ich hatte aber immer den Wunsch, solche Menschen zu finden.

Elena de Zubiaurre Racis: Könnt ihr beschreiben, was ihr bei eurem Vorbereitungsseminar mit auf den Weg bekommen habt und wie ihr das umsetzt?

Mireia Viguer Pérez: Ich habe neue Methoden kennengelernt. Die Möglichkeit, eine Mentoring-Beziehung zu reflektieren, hat gutgetan. Ansonsten hat sich vieles dann im Verlauf intuitiv ergeben.

Daniel Bucurescu: Ich war anfangs sehr fixiert darauf, mich einseitig mit meiner Rolle als Mentor zu beschäftigen. Aber sobald ich Ebrahim kennengelernt habe, spielte das eigentlich keine Rolle mehr. Es hat sich dann einfach gefunden, ohne das zu stark zu rationalisieren.

Elena de Zubiaurre Racis: Seid ihr zum ersten Mal Mentor:in?

Daniel Bucurescu: Ich bin durch meine künstlerische Tätigkeit schon öfters in Kontakt mit jungen Menschen gekommen, dadurch ergibt sich meist recht schnell eine engere Beziehung. Mit einigen bin ich immer noch in Kontakt. Zum Beispiel mit einer Musikstudentin, für die ich auch in Hinblick auf Studium und Karriereplanung eine Ansprechperson bin.

Mireia Viguer Pérez: Für mich ist es ganz neu. Aus der Schule kenne ich natürlich so etwas wie Hausaufgabenbetreuung, aber das ist ja kein Mentoring. Privat erlebe ich vielleicht eine ähnliche Situation, mein Freund, seine Kinder und deren Mutter haben nicht studiert. Und auch sie beschäftigen natürlich Gedanken, welchen Weg man nach der Schule einschlagen möchte, was zu einem passt und was möglich ist.

Elena de Zubiaurre Racis: Nehmt uns doch mal mit, wie sieht ein typisches Treffen mit euren Mentees aus?

Daniel Bucurescu: Wir trinken immer als erstes Kaffee. Wir haben mehrere kulturelle Veranstaltungen besucht oder auch mal eine politische Podiumsdiskussion. Meist schlage ich etwas vor, und ich überlege dabei schon, was mir früher gut getan hätte.
Elena de Zubiaurre Racis: Hast du ein Beispiel?

Daniel Bucurescu: Ebrahim ist ein super talentierter Sänger und Musiker. Wir haben uns mal in die Klangmanufaktur eingemietet. Wir hatten zwei Stunden einen Raum mit Flügel und haben gemeinsam Ella Fitzgeralds „Autumn in New York“ ausprobiert, das war großartig. Wir waren auch mal im Klabauter Theater und haben uns ein Theaterstück angesehen. Oder wir waren in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und haben die Produktion „Space Journey“ gesehen, die Ron Zimmering dort auf die Bühne gebracht hat.

Mireia Viguer Pérez: Rüya und ich treffen uns ganz oft einfach so, im Café, und tauschen uns aus, plaudern über ganz verschiedene Themen oder Erlebnisse. Wir waren auch sehr oft im Kino und gehen danach spazieren oder etwas essen. Wir lieben beide Filme. An der Universität haben wir den Tag der offenen Tür besucht. Was mir noch fehlt, ist, Rüya auch in ihrer kreativen, künstlerischen Seite zu unterstützen, mal gemeinsam Ausstellungen zu besuchen oder selbst zu malen. Das möchte ich gern mehr machen.

Elena de Zubiaurre Racis: Was sind eure Themen, worüber sprecht ihr?

Mireia Viguer Pérez: Viel über Schule, über aktuelle politische Themen, oder im Speziellen Bildungspolitik. Ich finde das spannend, weil ich ja Lehramt studiere und so ganz nah und persönlich die andere Seite kennenlerne. Wir reden auch über Rüyas Familie, ihren Alltag, und auch ich erzähle natürlich aus meinem Leben.

Daniel Bucurescu: Ebrahim möchte Lehrer werden. Er ist außerdem in diesem großartigen Chor von The Young ClassX, ich sehe bei ihm auch musikalisch sehr viel Potenzial. Wir sprechen aber auch über Familie, über Sachen, die uns beiden passieren. Ich teile viel von mir, ich habe da wenig Berührungsängste. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis.

Elena de Zubiaurre Racis: Wie baut ihr Vertrauen auf? Habt ihr da eine Strategie?

Daniel Bucurescu: Wenn ich eine Beziehung zu jemandem aufbauen möchte, dann vertraue ich dieser Person eine Herausforderung an, vor der ich gerade stehe, ich frage ganz explizit nach ihrer Meinung. Meiner Erfahrung nach ist das ein guter Icebreaker. Wenn ich mich als Mentor in die Rolle des Fragenden begebe, dann baut das Hierarchie ab.

Mireia Viguer Pérez: Ich sehe das genauso. Man sollte offen aufeinander zugehen und auch eigene Themen teilen. Ich glaube, dadurch hat sich auch bei uns sofort eine Beziehung auf Augenhöhe ergeben. Rüya spürt und weiß, dass sie jederzeit kommen kann, und auch ich kann alles ansprechen mit dem Wissen, dass es okay sein wird.

Elena de Zubiaurre Racis: Ihr seid ja jetzt über ein Jahr dabei, wie hat sich die Beziehung verändert?

Mireia Viguer Pérez: Ganz am Anfang haben wir im Workshop darüber geredet, welche Rolle wir annehmen wollen, ob wir die Mentoring-Beziehung auch als Ausgangspunkt für eine Freundschaft sehen. Anfangs konnte ich schwer einschätzen, wieviel Nähe entstehen würde. Mittlerweile ist es so, dass mich Rüyas Mutter gern zum Essen einladen möchte. Das hat mich sehr gefreut. Ich möchte sie auch gern zu mir einladen, wir reden die ganze Zeit über unsere Familien, dann finde ich es schön, auch wirklich zu sehen, wie man lebt. Für mich hat sich eine sehr vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehung entwickelt. Eine gewisse Hierarchie ist vielleicht noch da, wenn ich ihr zum Beispiel vermitteln will, für sich einzustehen. Aber immer aus einer großen Nähe heraus und von Verständnis geprägt.

Daniel Bucurescu: Bei uns war von Anfang an eine große Offenheit da, wir haben uns gewissermaßen gleich bewusst füreinander entschieden, ganz ohne Druck. Von mir geht noch etwas mehr Initiative aus, da wünsche ich mir, dass Ebrahim den Mut fasst und selbst eigene Vorschläge einbringt.

Elena de Zubiaurre Racis: Gibt es einen Lieblingsmoment, an den ihr euch gerne zurückerinnert?

Daniel Bucurescu: Wir haben uns mal an der Alster getroffen und saßen einfach zwei Stunden und haben gequatscht. Das Wetter war toll, das Gespräch war total gut. Das war schon ein wegweisendes Treffen für uns, da hat einfach alles gestimmt.

Mireia Viguer Pérez: Auch bei uns gab es einige solcher Momente. Neulich hat Rüya erzählt, dass sie vielleicht zum Studieren aus Hamburg wegziehen möchte. Da war ich so stolz auf sie, weil sie sich das anfangs gar nicht zugetraut hat. Das ist einer meiner liebsten Momente.

Elena de Zubiaurre Racis: Wir haben darüber gesprochen, dass ihr Begleiter:innen seid, aber natürlich auch selbst viel teilt und zurückbekommt. Was habt ihr von euren Mentees gelernt?

Daniel Bucurescu: Basketballtricks! Außerdem, wo es die beste Eisdiele in Jenfeld gibt. Ich lerne von ihm sehr viel darüber, wie einfach der Umgang mit jungen Menschen ist.

Mireia Viguer Pérez: Ja, diese Lockerheit im Umgang mit jungen Menschen, was sie bewegt, woran sie denken. Mich bringt das viel näher an diese Gruppe heran, und davon profitiere ich auch als Lehrkraft. Dank der Treffen mit Rüya lerne ich neue Orte in Hamburg kennen und verlasse meine angestammten Pfade. Ein bisschen lerne ich Hamburg aus einer anderen Perspektive kenne!

Daniel Bucurescu: Was mir auch noch mal bewusst geworden ist: Es ist nicht wichtig, in jeder Sekunde sein Leben unter Kontrolle zu haben. Das Unbewusste, Ungeplante zuzulassen, das habe ich in dieser Konstellation gelernt!

Elena de Zubiaurre Racis: Welchen Einfluss hat das Mentoring auf die Entwicklung oder auf den Lebensweg eures Mentees?

Daniel Bucurescu: Ebrahim ist der älteste unter seinen Geschwistern, ich glaube, dass es ihn entspannt zu wissen, dass es auch eine Aufgabe oder eine Rolle in seinem Leben gibt, wo er nicht der große Bruder sein muss. Er übernimmt in seinem Alltag unheimlich viel Verantwortung und ist sehr reflektiert und so selbstsicher.

Mireia Viguer Pérez: Ja, ich glaube, das ist bei Rüya ähnlich. Sie muss sehr viel Verantwortung übernehmen, und ich glaube, dass es gut für sie ist, in einer Beziehung zu sein, in der nicht sie alles bestimmen muss. Mein Lebenslauf ist voller Brüche und Ortswechsel, vielleicht tut es ihr gut zu sehen, dass es auch funktioniert, wenn man nicht sofort weiß, was und wie man etwas machen möchte.

Elena de Zubiaurre Racis: Ihr werdet regelmäßig durch eine Supervision mit Laura Glauser unterstützt. Nehmt uns doch ein bisschen dort mit hinein.

Daniel Bucurescu: Für mich ist es gut zu wissen, wo Baustellen auch in anderen Tandems bestehen. Das sind nicht unbedingt dieselben wie bei mir. Trotzdem ist es super zu sehen, was die anderen beschäftigt. In der Gruppe haben wir festgestellt, das bei allen viel von den Mentor:innen ausgeht, obwohl das gar nicht sein muss.

Mireia Viguer Pérez: Es ist beruhigend zu wissen, wo ich Unterstützung bekommen kann, falls ich doch mal nicht weiterweiß. Der Austausch mit den anderen Mentor:innen und mit Laura ist sehr wertvoll. Die Supervision hat mir Sicherheit gegeben, dass wir eine gute Beziehung haben und es okay ist, wie wir sie gestalten.

Elena de Zubiaurre Racis: Im Frühjahr ist der neue Jahrgang gestartet. Gibt es einen Rat, den ihr den neuen Mentor:innen mitgeben würdet?

Daniel Bucurescu: Mir fällt nur wieder dieser Punkt ein, das Ganze nicht zu professionalisiert zu sehen, sondern empathisch und intuitiv daranzugehen. Einfach die Chance geben, sich aufeinander einzulassen, aber auch keine Angst haben, seine Meinung zu sagen.

Mireia Viguer Pérez: Ich kann den Mentees den Rat gaben, das Mentoring und das Netzwerk als Riesenchance zu sehen und wirklich für sich zu nutzen.

Elena de Zubiaurre Racis: Glaubt ihr, ihr bleibt mit euren Mentees nach Ablauf des Stipendiums in Kontakt?

Daniel Bucurescu: Ja klar!

Mireia Viguer Pérez: Auf jeden Fall! Ich mache mir keine Sorgen, dass wir uns aus den Augen verlieren.

Elena de Zubiaurre Racis: Gucken wir noch einmal ein bisschen weiter und stellen uns Rüya und Ebrahim in fünf Jahren vor. Was wünscht ihr den beiden?

Daniel Bucurescu: Ich wünsche beiden, dass sie auf einen Weg kommen, wo sie wirklich fühlen, dass er für sie der richtige ist und dass sie frei entscheiden können. Das sehe ich auch als unsere Aufgabe, da nichts vorzugeben, sondern sie nur zu unterstützen, diesen Weg zu finden.

Mireia Viguer Pérez: Rüya insbesondere wünsche ich wirklich, dass sie die Kraft findet, loszulassen, selbstsicherer zu werden und zu merken, dass sie sehr cool ist.

Elena de Zubiaurre Racis: Vielen Dank euch beiden für diese sehr persönlichen Einblicke und alles Gute für das weitere Mentoring!

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