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#Ehrenamt #Kultur

Kunst aus dem OFF! Die Galerie nachtspeicher23

Gesa Wieczorek, Stipendiatin Dissertation Plus

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Es ist ein herbstlicher Mittwochabend, und das Team des nachtspeicher23 hat sich wie jeden Monat in der kleinen Galerie versammelt, die es in Hamburg-St. Georg zwischen Steindamm und Berliner Tor betreibt. Unseren Namen verdanken wir unserer Hausnummer in der Lindenstraße und dem alten Nachtspeicherofen, der uns zwar schon in so manche Krise gestürzt hat, der aber auch zu den beständigsten Elementen des Raumes zählt. Wir sitzen mitten in der Ausstellung „Rückzugsort“ von Svenja Bohnert, Henry Giggenbach und Kyungwon Shin und müssen diesmal besonders aufpassen, denn Svenja hat einen großen fragilen Turm aus Holzklötzchen gebaut – bloß keine falsche Bewegung machen! 
Der nachtspeicher23 ist ein OFF-Space, ein ehrenamtlich betriebener Ausstellungsraum, in dem Künstler:innen, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen oder noch nicht zu sehr bekannt sind, ihre Werke präsentieren können. Dabei erhalten sie Unterstützung durch das Team, das derzeit aus Lara Bader, Lars-Ole Bastar, Carina Chowanek, Katharina Drewitz, Johanna Sophie Horn, Martin Wellermann und Gesa Wieczorek besteht. Wir kuratieren das Jahresprogramm, kümmern uns um die Öffentlichkeitsarbeit, organisieren Vernissage und Finissage, stellen Werkzeug bereit, helfen, wenn nötig, bei Auf- und Abbau der Ausstellungen und versuchen nicht zuletzt, den Künstler:innen möglichst viele ihrer Material- und Transportkosten zu erstatten.
Dies erfordert eine gute Organisation. Wer übernimmt die Kommunikation mit den Künstler:innen? Wer kann einen Beamer ausleihen? Wer hat Zeit, die Wände nach der Ausstellung zu verspachteln und zu streichen? Wer macht die Aufsicht während der Ausstellungslaufzeit, und wer putzt eigentlich die Toilette vor der Vernissage? Neben diesen Dingen geht es heute noch um ein anderes Thema: Die Claussen-Simon-Stiftung hat mich gebeten, einen Blogartikel über den Verein zu schreiben – eine gute Gelegenheit zu reflektieren, was unsere Galerie eigentlich ausmacht. Natürlich ist es ein Interesse für Kunst, das uns alle zusammengebracht hat. Aber das ist nicht alles.
Für manche ist es die Lage in einem Viertel, das noch nicht zum Opfer der Gentrifizierung geworden ist, das den besonderen Charme des Ausstellungsorts ausmacht. Lars und Martin haben selbst schon mehrmals im nachtspeicher23 ausgestellt. Sie sind beide Fotografen und haben sich im Frühjahr entschieden, Mitglieder des Teams zu werden. „Als Ausstellender kommt man hier ständig in Kontakt mit den Menschen aus dem sehr lebendigen und vielfältigen Viertel,“ sagt Lars. „Als wir mitbekommen haben, dass neue Mitglieder gesucht werden, wollten wir den Verein unterstützen.“ 
Für andere ist es die Physis des Raumes, in der seine Besonderheit liegt. Vor der Gründung des nachtspeicher23 e.V. im Jahr 2008 beherbergte der Raum in der Lindenstraße ein ganz normales Ladengeschäft, das den Duft der 80er Jahre verströmte. Die Gründungsmitglieder machten sich also an die Arbeit – raus mit dem PVC, runter mit der Raufasertapete und weg mit den grausamen Neonlampen! Dadurch wurde frei, was lange verborgen war: Ein dunkler Holzdielenboden verleiht dem Raum eine besondere Wärme. Die ehemals weißen Wände sind heute ein Kunstwerk für sich. Ein rhizomatisches Geflecht aus Spachtelmasse verweist auf die fast fünfzehnjährige Ausstellungsgeschichte. Liebevoll gepflegt wurde es bis vor Kurzem noch von Tobias, der kurz nach der Gründung schon ins Team stieß und seitdem als Herr der Wände wirkte. Leider ist er inzwischen in seinem neuen Job in einer Ergotherapie-Praxis sehr eingespannt und musste sein Ehrenamt aufgeben. 
Dies ist ihm nicht leicht gefallen, denn was uns alle verbindet, ist schließlich die Freude an dem Gedanken, etwas gemeinschaftlich auf die Beine zu stellen. Ein:e jede:r bringt hier seine oder ihre Fähigkeiten ein. Da ist zum Beispiel Carina, die Malerin ist, aber auch als Grafikdesignerin arbeitet und unter anderem das Corporate Design der Galerie entwickelt hat. Wenngleich der nachtspeicher23 kein Ausstellungshaus wie jedes andere ist und viele Dinge prekär und provisorisch sein müssen und dürfen, legen wir doch Wert auf eine gewisse Professionalität. „Auch wenn sich Handschrift und Ausstellungskonzept jährlich verändern können – sei es durch neue Ausstellungskonzepte oder einen geänderte Teamstruktur – sollte eine Linie erkennbar bleiben“, erklärt Carina. „Je ruhiger die Basis der Plattform, desto besser können die Werke der Künstler:innen wirken. Um den Rahmen dafür zu bilden, sind ein Logo, wiederkehrende Farben und eine festgelegte Typo wichtig. Außerdem geht es dabei natürlich auch immer um die Frage, wie wir die beste Sichtbarkeit erzielen können.“ Und da ist natürlich Lara, selbständige Kunsthistorikerin, die den Vorsitz des Vereins übernommen hat und ihr Organisationstalent mit Inbrunst für den Verein einsetzt, sei es bei der Kommunikation mit Vertreter:innen der Behörde für Kultur und Medien, die uns fördert, mit den ausstellenden Künstler:innen oder auch durch freundliche Ermahnungen im Teamchat, wenn wir uns mal wieder nicht in den Doodle eingetragen haben. 
Schließlich ist es der Kontakt zu so vielen unterschiedlichen Menschen, der den Reiz der Vereinsarbeit ausmacht. Unzählige gute Gespräche zwischen dem Team, den Ausstellenden und den Besucher:innen fanden und finden in der Lindenstraße statt. Hier bleibt niemand anonym – auch du nicht, wenn du uns besuchen kommst, vielleicht ja schon gleich zur nächsten Vernissage am 7. Oktober 2022 ab 19 Uhr. „Teil[stück]chen“ heißt die Ausstellung von Lilly Helja Jonasson, Valentin Wedde und José Darcy Cabrera, die bis 21. Oktober zu sehen sein wird. Im Grunde beschreibt der Titel auch unsere Arbeit sehr gut.


nachtspeicher23 e.V.
Lindenstraße 23
20099 Hamburg
www.nachtspeicher23.hamburg

Öffnungszeiten während der Ausstellungslaufzeit:
Immer dienstags und freitags 19-21 Uhr, samstags 15-18 Uhr


Die nächsten Ausstellungen im nachtspeicher23:

Teil[stück]chen
Mit Lilly Helja Jonasson, Valentin Wedde & José Darcy Cabrera
07.-21.10.2022
Collagen soweit das Auge reicht: Während die in Hannover lebende Künstlerin Lilly Helja Jonasson Fotomotive in tausend Teile zerlegt, ehe sie diese wieder zu neuen Form- und Farbgebilden zusammensetzt, gleicht die Zusammenarbeit der Künstler Valentin Wedde und José Darcy Cabrera selbst einer Collage. Die beiden verbindet eine interkontinentale Freundschaft zwischen Berlin und Bogotá. In ihren Gemeinschaftsarbeiten werden die Zeichnungen von Wedde mit Siebdrucken von Cabrera kombiniert.

Rauminstallation
Lukas Fries
04.-18.11.2022
Lukas Fries wird den nachtspeicher23 als Einzelposition füllen. In seiner Rauminstallation spielt er hintersinnig mit Volumina und dem Körpergefühl der Betrachtenden. Transparente, mit Luft gefüllte Quader füllen dicht aneinandergedrängt den Raum, lassen ihn zugleich überfüllt und doch leer erscheinen. Wer den Raum betreten möchte, muss die körperliche Auseinandersetzung mit der Rauminstallation suchen, begehbare Zwischenräume finden und in Kommunikation mit anderen Besucher:innen treten, um vorwärts kommen zu können.
 



Engagementförderung „Mach den Unterschied!“
Aktive und ehemalige Geförderte der Claussen-Simon-Stiftung können Anträge zur Förderung von Initiativen einreichen, die sich in den Bereichen Wissenschaftskommunikation und kulturelle Bildung, Chancengleichheit und Diversität, Nachhaltigkeit und Klimaschutz bewegen. Unsere Dissertation Plus-Stipendiatin Gesa Wieczorek erhielt für die Gestaltung des Ausstellungsprogramms im nachtspeicher23 im Jahr 2022 eine Förderung.


Foto: Carina Chowanek, Vernissage im nachtspeicher23 mit Jana Osterhus, Leonie Diehl und Sven Wagenbach

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